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Franz Grillparzer

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Aufführung

„Medea“ in Graz

Premiere 27. September 2006

Dem Flüchtling ist nach einem Wort Alfred Polgars „die Heimat Fremde geworden, aber die Fremde nicht Heimat“. Die Kolcherin Medea hat diese Erfahrung gleich zweimal machen müssen: Aus Liebe zu Jason hat sie zuhause Vater und Bruder verraten und ist mit ihm (und dem geraubten goldenen Vlies) in seine Heimat Jolkos geflohen. Von dort wurden Jason und Medea, die man des Königsmords bezichtigt, verbannt und mit ihren beiden Söhnen von König Kreon in Korinth aufgenommen. Auch an dem neuen Exilort findet Medea, der die Griechen als einer „barbarischen“ Zauberin rätselhafte Hexenkünste zuschreiben, keine Ruhe. Kreon, der Machthaber über Gedeih und Verderb der Schutzsuchenden, setzt alles daran, das Ehepaar zu trennen und Jason mit seiner Tochter Kreusa zu vermählen. Um Medea loszuwerden, entzieht er ihr kurzerhand den Boden unter den Füßen: das Asylrecht.

medea in graz
Jaschka Lämmert, Martina Stilp, Sebastian Reiß (Foto © Peter Manninger)

Verlockt von dem Frauentausch und der Aufnahme in die so neue Wohlstandswunderwelt, stimmt Jason nur zu eilfertig der Abschiebung Medeas zu: „Nun will ich wieder Mensch unter Menschen sein“, lautet seine Losung. Medea soll das Feld räumen und außer Landes gebracht werden, aber ihre Kinder und vor allem das goldene Vlies, dieses Unterpfand materieller Besitzgier, soll sie zurücklassen. Medea, als Frau verspottet, „die die Wildnis ausgespien“ (Kreon), als Ehepartner gedemütigt, als Mutter ohnmächtig und als Flüchtling rechtlos gemacht, sieht sich aller Würde als Mensch beraubt und wie ein Tier in die Enge getrieben. Isoliert und um jeden Lebenssinn betrogen, lässt sie die Gewalt eskalieren – gegen ihre Kinder wie gegen sich selbst.

Grillparzers Drama enthüllt mit seinem Kesseltreiben einer zivilisiert scheinenden Gesellschaft gegen die um Asyl bittende Fremde Medea vor allem die barbarisch rohen Untergründe unserer eigenen sozialen Welt. In dieser Tragödie einer Enteignung des Selbst, der „Geschichte einer Seele im Kampf um ihr eigenes Bestehen“ (Heinz Politzer) spiegelt sich die Kolonialgeschichte unserer Gegenwart, die sich täglich an den Grenzen unseres Gelobten Landes Europa, an den Küsten Spaniens, in den Festungen von Ceuta und Marokko, in den Auffanglagern etwa der Insel Lampedusa, ereignet.

Textquelle: Website des Grazer Schauspielhauses

Medea Martina Stilp

Gora Martina Krauel

Kreusa Jaschka Lämmert

Jason Sebastian Reiß

Kreon Daniel Friedrich

Herold Steffi Krautz

Kind Floris Steinkellner, Elias Hönle, Marcell Bodó,
Valentin Gratl, Marcus Yates

Regie Anna Badora

Kostüme Anna Eiermann

Bühnenbild Paul Lerchbaumer

Choreographie Michael Schmieder